Die Enneade von Heliopolis

Die Kosmogonie (Schöpfungsgeschichte) von Heliopolis ist eine der ältesten ägyptischen Theorien zur Schöpfung bzw. Entstehung der Welt. Ihr Schauplatz ist die Stadt Heliopolis. Die Heliopolitaner glaubten, dass die Erde zu Anfang ein Chaos aus Urwasser (“Nun”) war. Atum, der Schöpfergott, entstieg als Singularität dem präexistenten Urgewässer Nun, ließ einen Urhügel entstehen und ließ sich auf diesem nieder. Später wird Heliopolis mit dem Urhügel gleichgesetzt. [Eine andere Geschichte beschreibt, dass Atum in Gestalt eines Kindes aus einer Lotosblühte hervorkam.]. Nachdem nun das Wasser und der Schöpfergott existierten, begann Atum aus sich selbst die Elemente der Schöpfung hervorzubringen.

Dabei wurde die Luft und Feuchtigkeit, der Himmel und die Erde geschaffen, die zyklische Zeit aktiviert und die lineare Zeit durch die Entstehung von Dies- und Jenseits in Gang gesetzt. Dies geschah, indem Atum durch Selbstbefruchtung oder durch die Vereinigung mit seinem Schatten seine Kinder Schu, den Luftgott und Tefnut, die Göttin der Feuchtigkeit zeugte. Eine anderer Version des Schöpfungsmythos erzählte, dass Atum seinen Sohn Schu durch Niesen und seine Tochter Tefnut durch Ausspuken zeugte.
Schu und Tefnut bildeten das erste Götterpaar der Enneade (Neunheit) von Heliopolis. Sie wurden durch Nun, das präexistente Urgewässer aufgezogen und von einem Auge des Atum beobachtet, welches er an seiner Stirn platzierte. Dieses erste Götterpaar zeugte den Erdgott Geb und die Himmelsgöttin Nut, die wiederum Osiris, Isis, Seth und Nephthys zeugten. Durch die Zeugung von Geb und Nut entstand die Erde und das Himmelsgewölbe, wodurch die Voraussetzungen für alles Leben geschaffen wurden (Luft, Feuchtigkeit, Himmel, Erde und das präexistente Wasser). Mit den Kindern von Geb und Nut wurde das Weltliche geschaffen und die neunköpfige Familie, die Enneade von Heliopolis komplettiert. Die Menschen und die Götter galten in der Mythologie als Tränen oder Schweiß des Schöpfergottes Atum.

Die Ägypter glaubten zunächst, dass auch der Himmel aus Wasser bestehen würde. Damit ein Lebensraum geschaffen werden konnte, mussten die Gewässer voneinander getrennt werden. Dies wurde durch Schu und Tefnut initiiert. Um die Trennung von Erde und Himmel zu erklären, wurde erzählt, dass Schu, der Vater von Geb und Nut, sich zwischen seine beiden Kinder drängte und diese für immer von einander trennte. Schu in Gestalt des Luftgottes füllte somit den Platz zwischen Himmel und Erde mit der Luft.